Titel: „Multiple, nachhaltige Bewirtschaftung von ausgewiesenen Siedlungsgebieten im Terra firme Regenwald Zentralamazoniens“

Impressionen:

Kurzbeschreibung

Bisher sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine dauerhafte, nachhaltige und selbsttragende Nutzungskonzepte für die nährstoffarmen Terra firme Böden im Regenwaldgebiet Zentralamazoniens entwickelt worden. Die Forschung befaßt sich in erster Linie mit isolierten Produktionsverfahren und -systemen ohne Berücksichtigung der sozioökonomischen, betriebs- und marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der kurz- und langfristigen Auswirkungen auf das Ökosystem. Einzelnen vielversprechenden Ansätzen im agroforstlichen Bereich, vor allem unterstützt durch NROs und der Privatwirtschaft fehlt die Bindung zu Entwicklungsbestrebungen der brasilianischen Bundes- und Länderregierungen und damit die Breitenwirkung. Vor dem Hintergrund des zunehmenden demographischen Drucks auf die Region durch „wilde“ (ungelenkte) und durch staatlich geförderte Zuwanderung marginaler Bevölkerungsgruppen, wird der Entwicklung rationaler, tragfähiger Landungskonzepte in Zukunft eine große Bedeutung zukommen. Es gilt die weitere Verelendung der urbanen Zentren, die zunehmende Degradierung großer, zusammenhängender Waldgebiete durch kurzfristige, destruktive Nutzungssysteme und die zunehmende Marginalisierung der Landbevölkerung zu verhindern.

Nicht die Nutzung der Regenwaldgebiete selbst ist das Ziel dieses Projektes, sondern es soll mit Hilfe nachhaltiger Nutzung ein Beitrag zur aktuellen sozialen, ökonomischen und ökologischen Problematik geleiste werden. Dies soll zu einem an das Ökosystem angepassten Landnutzungswandel, der Subsistenzsicherung der Landbevölkerung und der Verbesserung der Ernährungssituation der städtischen Bevölkerung durch lokale und regionale Produktion führen. Eine erfolgreiche dauerhafte Nutzung begrenzter, marktnaher Gebiete trägt auch direkt zum Schutz der natürlichen Ressourcen und des tropischen Regenwaldes bei, indem der Bedarf an Waldbrachen und laufend neuer Rodungsflächen eingeschränkt wird. Diese Konzeption wird die politische Dimension der außeramazonischen Probleme, die zu den Migrationsbewegungen führen, nicht lösen können. Ein erwarteter Effekt ist aber, daß mittel- und langfristig eine realistischere Einschätzung zu den Nutzungs- und Entwicklungsmöglichkeiten des Lebensraums tropischer Regenwald bei Entwicklungsplanern und Entscheidungsträgern entsteht.

Begründung des Vorhabens

Das sich erst im Anlaufen befindliche Siedlungsprogramm der brasilianischen Bundesregierung bietet die seltene Möglichkeit, die Nutzung der Terra firme multidisziplinär zu begleiten und in Zusammenarbeit mit den Beteiligten tragfähige Nutzungssysteme zu entwickeln und zu testen. Aufgrund der vergleichbaren Problemstellung in den anderen Projekten des Programmes ist trotz der heterogenen Zusammensetzung der Siedlergruppen und diverser Nutzungs- und Vermarktungsmöglichkeiten die Chance der Multiplizierbarkeit einzelner Komponenten gegeben. Sie können an unterschiedliche Bedürfnisse und Voraussetzungen angepasst werden. Dies stellt hohe Anforderungen an das Zusammenwirken der Betroffenen, an staatliche und nichtstaatliche Institutionen und an die Privatwirtschaft. Das Projekt wird eine katalytische Funktion einnehmen und keine selbständigen, zu Abhängigkeiten führende Strukturen einführen.

Ziel des Vorhabens ist es, durch die Entwicklung angepasster, multipler und nachhaltiger Nutzungssysteme eine Bewirtschaftung der Terra firme zu erreichen, welche die lokalen sozialen, ökonomischen und ökologischen Gegebenheiten berücksichtigt. Dazu werden erprobte, nachhaltige Wirtschaftsweisen angewandt, die auf traditionellen Methoden, unter starker Einbindung von Frauen und Kindern, als wichtige Stützen für die Ernährung der Familien, aufbauen. Diese müssen zunächst die Subsistenz der Landnutzer sichern und einer späteren Überschussproduktion einen Zugang zu lokalen und regionalen Märkten ermöglichen, um auch die über die reine Subsistenz der Menschen hinausgehenden Bedürfnisse befriedigen zu können. Die Produktionssysteme müssen zu einer Dauernutzung der Betriebsflächen mit nachhaltigen Erträgen führen.

Kann man die Regenwälder der Terra firme durch eine intensive Nutzung von Teilbereichen schützen? Der Projektansatz geht von folgenden Voraussetzungen aus.

  • Menschen versuchen auf der Terra firme zu siedeln und zu wirtschaften.
  • der Siedlungsdruck auf die Terra firme wird in Zukunft eher zunehmen.
  • konventionelle landwirtschaftliche Nutzungsformen, insbesondere beim Anbau einjähriger Verkaufsfrüchte (3-5 Jahre) und in der Viehwirtschaft (10-15 Jahre) erlauben nur kurze Nutzungsphasen der Böden. Die notwendige periodische Aufgabe der Nutzflächen führt zu einem laufenden Bedarf an neuen Rodungsflächen.
  • die theoretische Möglichkeit, die Bodenfruchtbarkeit durch langjährige Brachen teilweise zu regenerieren, setzt grosse Betriebseinheiten voraus.
  • es gibt für das komplexe, fragile Ökosystem nachhaltige, rationale, auf traditionellen Wurzeln beruhende Nutzungssysteme, durch welche die Existenz der Menschen gesichert werden kann.

Nimmt man die ersten beiden Voraussetzungen als vom Projekt nicht beeinflußbar an, so kann ein erfolgreiches, nachhaltiges Wirtschaften zu folgendem Szenario führen:

  • Die periodische Aufgabe der Nutzflächen, wie sie im Rahmen der derzeitigen Landnutzungsformen betrieben wird, erübrigt sich.
  • Der Bedarf an Waldbrachen (Capoeira) wird begrenzt oder fällt ganz weg.
  • Der Bedarf an neuen Rodungsflächen geht zurück und besteht nur in Abhängigkeit fortgesetzter, politisch motivierter Neubesiedlung der Terra firme weiter.
  • Eine zunehmende Besiedlung der Terra firme-Räume findet seine Grenzen in der Aufnahmefähigkeit des Binnenmarktes, in der Produktion und den begrenzten Vermarktungsmöglichkeiten auf dem Weltmarkt.
  • Eine zunehmende Neubesiedlung der Terra firme muss durch innenpolitische Maßnahmen gesteuert werden. Dies setzt eine politische Willensbildung voraus, die vor allem auf ausseramazonischen Vorgaben und Entwicklungen basieren muß.

Es wird eingeräumt, dass der letzte Punkt des oben skizzierten Szenarios eine unerläßliche Vorausbedingung darstellt. Kommt keine Bewegung in die politische Willensbildung, werden keine begleitenden Maßnahmen getroffen, die dem Schutz amazonischer Lebensräume dienen, wird auch dieser Projektbeitrag keine langfristige Wirkung haben können. Aus diesem Grund werden wichtige Projektkomponenten Technologie-Transfer und Umwelterziehung (hier im Sinne eines „bottom-up“) sein, um den Erfolg des Projektes abzusichern.

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