Amazonien – nach der zweijährigen Dürre kommt das Hochwasser

Mit dem Einsetzen der ersten Regenfälle im November des vergangenen Jahres ging eine zweijährige Extremdürre, die sich über fast ganz Amazonien erstreckte, zum Glück zu Ende. Die gigantischen Flüsse schmolzen während dieser Zeit zu Rinnsalen, der mächtige Rio Madeira – einer der größten Zuflüsse des Amazonas, der fast ganz Bolivien und weite Teile Perus entwässert – war über weite Flussabschnitte nicht mehr schiffbar und fiel bis Ende Oktober 2024 in Porto Velho auf einen unvorstellbaren Tiefstwert von 25cm! Normalerweise steht der Pegel während dieser Jahreszeit bei ca. 5 Metern. Innerhalb von 4 Monaten stieg der Pegel nun in ein extremes Hochwasser mit einem Pegelstand, Mitte April 2025, von über 20 Metern! Dabei überschwemmt der Fluss mittlerweile einige Tausend Quadratkilometer Regenwald, viele Dörfer und Städte und schwoll auf eine Breite von stellenweise über 40 Kilometer an. Nur im Jahr 2014 erreichte der Fluss einen noch höheren Pegelstand. Siehe dazu auch diesen Artikel.

Die Auswirkungen des Klimawandels auf Amazonien werden seit dem Beginn der Ausnahmeerscheinungen (die abwechselnde Aneinanderreihung von Extremdürren und Extremhochwässern in einigen Gebieten Amazoniens) im Jahre 2005 immer heftiger und extremer. Und wie bereits in einer früheren Ausgabe erwähnt, befinden wir uns aktuell inmitten eines gigantischen Feldversuchs, dessen Ausgang derzeit niemand verlässlich abschätzen kann. Wir wissen nicht, wie die Regenwälder mittelfristig auf die wechselnd aufeinanderfolgenden Extremereignisse – Dürren und Überflutungen reagieren. Es besteht die Gefahr, dass diese Stressereignisse fatale Folgen haben können und die Wälder im schlimmsten Falle beginnen, großflächig abzusterben, sodass sich die Waldflächen sich in Savannen verwandeln. Für das Erdklima und letztlich für die Lebensbedingungen auf unserer Erde wäre das das schlimmste Szenario. Da die Regenwälder das einzige klimarelevante Ökosystem der Erde sind, auf das wir noch aktiv Einfluss nehmen können – indem wir einfach aufhören, diese Wälder zu zerstören – sollten wir alles dafür tun, die Regenwälder zu erhalten.

Hochwasser Mitte April 2025
Auch das neue Lagergebäude ist überschwemmt
Situation im Oktober 2024 – Fotos: RWI

Während der diesjährigen Projektreise zu unserem 4500 Hektar großen Reservat am Rio Madeira, bot sich den  beiden Vorständen des Regenwald-Instituts, Josef Bartmann und Rainer Putz, ein außergewöhnliches Szenario, das sie sicherlich nicht mehr vergessen werden. Muss man normalerweise beim Anlegen beim Verwaltungsgebäude in Santa Maria am Flussufer eine steile Böschung erklimmen und anschließend ca. 200m zum Haus laufen, so konnte man dieses Mal direkt mit dem Boot unter unser zum Glück auf 2,5m hohen Stelzen stehendes Haus fahren und an der Treppe nach oben festmachen. Die betonierte Bodenplatte des Hauses war ca. 50cm unter Wasser und eine starke Strömung in Richtung Wald hinter dem Haus barg die Gefahr einer Unterspülung der Bodenplatte mit möglichen Auswirkungen auf die Statik des Hauses. Zum Glück hat sich das bis zum Ende der Redaktionszeit dieser Ausgabe, Mitte Mai, nicht bestätigt. Das ablaufende Hochwasser hat unterdessen das Betonfundament wieder frei gelegt und mit Ausnahme von jeder Menge Schlamm bisher keine sichtbaren Schäden hinterlassen. Das nebenan gelegene, neu gebaute  und kurz vor Ankunft der Fluten eingeweihte Lagergebäude wurde entsprechend überschwemmt und gut mit Schlamm eingedeckt. Zum Glück konnte der Schlamm im ablaufenden Hochwasser aufgewirbelt und so ohne  größeren Aufwand entfernt werden.

Mit dem Ende des Hochwassers beginnt nun in Kürze die Ernte des wilden Kakaos, an der wir mit Hilfe der Sammler:innen der Sammlergesellschaft im Reservat teilnehmen werden. Die Kakaoernte kann sich zu einem wichtigen Teil unserer Sammelaktivitäten entwickeln, die ein großes Potenzial zu einer hohen lokalen Wertschöpfung hat, wenn die Kakaobohnen richtig und ausreichend fermentiert und anschließend den Normen entsprechend getrocknet werden. Wie in unserem Wildkakaoprojekt am Rio Purus werden wir den Sammler:innen Kurse für eine hochwertige Kakaoverarbeitung anbieten. Einige Sammler:innen im Gebiet unseres Reservates verarbeiten bereits geringe Mengen des wild wachsenden Kakaos. In Ermangelung des Wissens um eine Verarbeitung zu qualitativ hochwertigem Kakao, werden die Kakaobohnen bisher lediglich aus den Früchten entfernt und getrocknet – ohne jegliche Fermentation. Spannend, dass sich offenbar auch für diese minderwertigen Kakaobohnen Käufer finden.

Für den Transport der Sammelgüter haben wir dieser Tage ein Arbeitsboot mit einer maximalen Tragfähigkeit von  zwei Tonnen in Auftrag gegeben. Damit wird ein guter Kompromiss im wirtschaftlichen Betrieb des Bootes gefunden.

Sobald die Wälder und der trocknende Schlamm begehbar sind, müssen wir dringend das neu erworbene Reservatsteil Laranjal am gegenüberliegenden Flußufer eine Satelliten gestützte Vermessung durchführen. Diese hier ermittelten Koordinaten sind Voraussetzung dafür, dass das Reservat auf unseren Namen in die Bundesregister der zuständigen brasilianischen Behörde INCRA eingetragen werden kann. Für das Reservat Santa Maria ist das bereits erfolgt. Der nächste Schritt besteht dann in einer Waldinventur als Grundlage für die Definition der nachhaltig sammelbaren Waldrohstoffe sowie für die Abschätzung der jeweils anfallenden Mengen.