In ihrem Klimaschutzpaket setzt die Bundesregierung auf einen steigenden Anteil der Energiegewinnung aus Biomasse. Da die Agrarflächen in Deutschland knapp sind, werden nachwachsende Rohstoffe verstärkt importiert. Doch die Gewinnung von Palmöl auf Monokulturen bringt ökologische Folgeschäden mit sich und entzieht vielen Menschen die Lebensgrundlage. Besonders schlimm ist die Situation in Kolumbien. »Schon 1997 hat eine Militäroperation unter dem Vorwand, gegen die Guerilla vorzugehen, die Gemeinden am Flussbecken Curvarado gewaltsam von ihrem Land vertrieben«, erzählt Henry Ramirez Soler, Aktivist aus der nordkolumbianischen Region Choco. Seither seien hunderte Menschen getötet und viele Hektar Wald zerstört worden. Dort wüchsen heute Ölpalmen. Soler und zwei weitere Kolumbianer machen gerade eine Europatour, um die Verbrechen ihres Staates und der Unternehmen bekannt zu machen. Immerhin sind die Hauptimporteure von kolumbianischen Palmöl Deutschland, Holland und Großbritannien. Immer häufiger kommt es nun auch in anderen Regionen des Landes zu Zwangsumsiedlungen und der Zerstörung von kostbarem Regenwald. »In den letzten Jahren sind bis zu 3,8 Millionen Menschen von ihrem Land vertrieben worden«, zieht Liodoro Hurtado traurige Bilanz. Er kommt aus dem Bundesstaat Nariño im Süden Kolumbiens, ist dort Gemeinderat und Vertreter des »Prozesses schwarzer Gemeinden« (PCN), die ihre eigene Strategie gegen die Vertreibung entwickelt haben. »Normalerweise läuft es so: Sie kommen und vertreiben die Menschen von ihrem Land und legen riesige Plantagen an. Die Menschen haben die Wahl, in die Städte abzuwandern oder unter den neuen Besitzern zu arbeiten«, erzählt Hurtado. Obwohl die Regierung teilweise sogar anerkennt, dass das Land rechtmäßig den Gemeinden und nicht den Plantagenbesitzern gehört, tue sie nichts. »Wir wollen nicht unter den selbsternannten Besitzern arbeiten oder sie gar anerkennen. Deshalb kehren wir zurück und gehen unseren traditionellen Tätigkeiten nach.« Im Norden der Region Choco sind sogenannte humanitäre Zonen gegründet worden. Die Idee: Die Vertriebenen kehren in Begleitung der kolumbianischen Nichtregierungsorganisation »Justicia y Paz« oder auch internationaler Unterstützer wie den »Peace Brigades International« zurück und leben auf den Plantagen – aber ohne Arbeitsverhältnis und Zustimmung des neuen »Eigentümers«. Palmöl ist für engagierte Kolumbianer wie Hurtado oder Soler keine Alternative. Selbst wenn sie die Möglichkeit bekämen, auf ihrem Land Plantagen anzulegen, würden sie dies aus sozialen und ökologischen Gründen nicht tun, betonen sie. »Die Plantagen vernichten tropischen Regenwald, während wir im Einklang mit der Natur leben«, erklärt Diego Alejandro Cardona von »Censat Agua Viva«, der kolumbianischen Sektion von »Friends of the Earth«. Um eine Plantage zu bewirtschaften, müssten große Flächen trockengelegt werden. Das führe zu Erosion und Unfruchtbarkeit der Böden. Trotz des Widerstandes der lokalen Bevölkerung habe sich die kolumbianische Regierung gerade entschlossen, ein Energiepflanzenprogramm aufzulegen, berichtete der Umweltaktivist Cardona. Damit soll die Palmölproduktion von derzeit 350 000 Hektar auf 3,5 Millionen Hektar ausgeweitet sowie der Anbau von Zuckerrohr und der Yucca-Pflanze gefördert werden. Dies dürfte die deutschen Importeure freuen, denn hier steht die Biomasseproduktion erst am Anfang: Bis 2020 soll der Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch auf 25 bis 30 Prozent steigen; davon würden 70 Prozent aus Biomasse stammen, so die Prognosen. Liegt der Anteil von Biomasse bei Strom, Wärme und Kraftstoffen heute bei 5,8 Prozent, könnte er laut Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums 2030 schon bei über 17 Prozent liegen. »Zahlen über die konkrete Verwendung von Palmöl sind aber schwer zu bekommen«, sagt Jan Dunkhorst vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika in Berlin. Er schätzt, dass schon heute in Deutschland über 1,3 Milliarden Kilowattstunden Strom aus Palmöl erzeugt werden. Die Importe werden angesichts der geplanten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes noch steigen, meint Dunkhorst. Wirkungsvolle Nachhaltigkeitskriterien, die die Verwendung von derart »schmutzigen« Importen mindern könnten, gebe es bis jetzt nicht. Quelle: Susanne Götze, Neues Deutschland
Regenwald-Institut e.V.
Institut für angewandten Regenwaldschutz
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