Betreibt Lula ein falsches Spiel mit naiven Europäern?

Die nackten Zahlen sprechen derzeit für die Antwort „ja“.

So kommentiert die Zeitung „Die Welt“ am 12.4.2023:
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article244728690/Mehr-Abholzungen-Lulas-falsches-Spiel-mit-den-naiven-Europaeern.html

„Aktuelle Zahlen zeigen: Brasiliens alter und neuer Präsident Lula da Silva lässt mehr Regenwald abholzen als sein Vorgänger Bolsonaro. Überraschen wird das nur seine gutgläubigen Anhänger in Berlin und Brüssel.

Seit 100 Tagen ist der Linkspopulist Luiz Inacio Lula da Silva als neuer Präsident Brasiliens im Amt. Westliche Politiker sind ihm und seinen Null-Abholzungs-Versprechen bisher kritiklos gefolgt.

Doch eine solche Zerstörung des Regenwaldes, wie sie aktuell in den brasilianischen Ökosystemen dokumentiert wird, hat nicht einmal der vom Westen geächtete rechtspopulistische Ex-Präsident Jair Bolsonaro an den Tag gelegt.

Im Cerrado, laut Umweltschutzorganisation WWF „eine Ökoregion der Superlative und für den Klimaschutz und den Erhalt der Biodiversität von elementarer Bedeutung“, liegt die Abholzung entlang der Frontlinie zur Landwirtschaft mit 1375 Quadratkilometern im ersten Quartal 2023 höher als in allen vier Vergleichs-Quartalen Bolsonaros. Auch am Amazonas ist die Abholzung höher als in drei von vier Bolsonaro-Vergleichsquartalen.

Offenbar wird der brasilianischen Agrarindustrie vor einem möglichen Freihandelsvertrag der südamerikanischen Mercosur-Staaten mit der EU noch einmal bewusst Spielraum gelassen, um „Fläche zu machen“.

Vor allem aus Europa wurden Bolsonaros Abholzungszahlen scharf kritisiert, das Freihandelsabkommen sogar auf Eis gelegt. Doch seit unter Lula die Kettensägen noch schlimmer kreisen, herrscht Schweigen, ja, sogar Panik in Berlin und Brüssel. Es wird nach Entschuldigungen gesucht, die aktuelle Umweltzerstörung verharmlost, und die Aussagen der Regierung in Brasilia werden ungeprüft übernommen. Man müsse nur Geduld haben – und überhaupt: Die Bußgelder seien ja erhöht worden.

Es kommt noch schlimmer

Die Lula-nahe Tageszeitung „O Globo“ bereitet die Anhängerschaft schon einmal auf Schlimmeres vor: Ab April würden die Zahlen wohl noch schlechter. Und es wird auch ein neues Narrativ eingeführt, um Lula aus der Schusslinie zu nehmen: Plötzlich liegt die politische Verantwortung für die Abholzungen nicht mehr beim Präsidenten wie noch unter Bolsonaro, sondern auch bei den Provinz-Gouverneuren.

Lula hatte schon in seinen ersten Amtszeiten keine Probleme damit, Umweltversprechen sofort zu brechen. Er hat erkannt, dass ein falsches Spiel den größtmöglichen Profit bringt. Die naiven Europäer – wie jüngst ein am Amazonas zu Tränen gerührter Klimaschutzminister Robert Habeck – glauben bislang alles, was Lula verspricht, und zahlen Hunderte Millionen Euro für Schutzprogramme.

Brasilien gibt derweil ungeniert seinen Klimakillern Rindfleisch- und Soja-Industrie grünes Licht für einen weiteren Expansionskurs. Der große Verlierer ist der Amazonas. Aber für dessen Zerstörung interessiert sich seit Bolsonaros Abwahl offenbar niemand mehr.“

Um diesen Kommentar richtig einzuordnen sollte man sich jedoch auch folgende Fakten bewußt machen:

Bolsonaro hat nach seinem Amtsantritt systematisch die beiden Umweltbehörden IBAMA und ICM-Bio geschwächt. Das geschah vor allem im Rahmen signifanter personeller und finanzieller Kürzungen. Diese Strukturen müssen nun wieder aufgebaut und funktionsfähig gemacht werden. Während der Präsidentschaft Bolsonaros gab es praktisch keine funktionsfähige Überwachung Amazoniens mehr.
Da diese Strukturen erst wieder im Aufbau sind, nutzen die einschlägigen Akteure die mangelnde Überwachung schamlos aus und versuchen durch Rodungsmaßnahmen schnell noch Fakten zu erzeugen, bevor die Möglichkeit „erwischt“ zu werden und für diese Umweltvergehen zur Rechenschaft gezogen zu werden realistischer Weise wieder gegeben ist.