Dürre ließ Amazonaswald ergrünen

Von Norbert Suchanek. Die Abholzung der Regenwälder beschleunigt die globale Erwärmung. Aber umgekehrt muss der Klimawandel die Wälder nicht unbedingt schädigen. Ohnehin ist das Hauptproblem am Amazonas die Rodung aus wirtschaftlichen Interessen. Vor einigen Monaten schlugen brasilianische Klimaforscher des Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais (INPE) Alarm: Ihre Computermodelle hatten gezeigt, dass sich die Regenwälder des Amazonasbeckens aufgrund der globalen Erwärmung und häufigerer Dürren in semiaride Savannen (Cerrados) verwandeln könnten. Doch nun hat eine internationale Untersuchung von Forschern der Universitäten von Arizona und São Paulo ergeben: Der Amazonasregenwald könnte viel dürreresistenter sein als bisher angenommen. Die Wissenschaftler Scott R. Saleska, Kamel Didan, Alfredo R. Huete und Humberto R. da Rocha ermittelten mit Hilfe von Satellitenaufnahmen die Veränderung der Baumkronen während der extremen Trockenperiode in Südwest- und Zentralamazonien im Jahr 2005. Ihre These: Wenn Trockenheit einen negativen Einfluss auf den Regenwald hat, dann müsste dies während dieser Dürre die Photosynthese in den Baumkronen entsprechend verändern. Doch zur Überraschung der Forscher stellten sie bei der Auswertung der Satellitendaten fest: Die grüne Blattmasse nahm in den untersuchten intakten Regenwaldgebieten nicht ab, sondern signifikant zu. Der Regenwald »ergrünte« regelrecht. Intakte Wälder sind widerstandsfähig »Diese Beobachtungen legen nahe, dass intakte Amazonaswälder widerstandsfähiger sein können, als viele Ökosystemmodelle annehmen – zumindest in Bezug auf kurzzeitige Klima-Anomalien«, resümiert das Wissenschaftlerteam. Entwarnung sei aber nicht angesagt. Denn eine gewisse Dürreresistenz heißt natürlich nicht, dass die Amazonasregenwälder auch gegen Feuer und Motorsägen resistent sind. Und die seien das eigentliche Problem. Die jährlich mehr oder weniger stark auftretenden Dürren würden lediglich die von Infrastrukturprojekten, Großgrundbesitzern, Rinderzüchtern, Bodenspekulanten, Agroindustrie und Weltmarkt-Soja- sowie Biotreibstoff-Preisen angetriebene Abholzung unterstützen. So brennt es seit Einsetzen der Trockenperiode im Juli in diesem Jahr wieder an allen Ecken und Enden, und zwar nicht nur in den brasilianischen Amazonas-Bundesstaaten, sondern auch im bolivianischen Amazonasgebiet. Anfang September meldeten brasilianische Medien in Rondonópolis (Bundesstaat Mato Grosso) die größten Brände in der Geschichte dieser Region. Und die Tageszeitung »Folha de São Paulo« berichtete vor wenigen Tagen, dass sich die Abholzungsrate in Mato Grosso von Mai bis Juli um 200 Prozent gegenüber derselben Periode 2006 erhöht habe. Einen Tag später berichtete der INPE-Wissenschaftler Alberto Setzer, dass sich die Anzahl der per Satellit registrierten Brände in diesem August gegenüber August 2006 auf 16 592 mehr als verdoppelte. Die Situation sei am schlimmsten in den Amazonasstaaten Pará (5020 Feuer), Mato Grosso (4665) und Rondônia (1663). Besonders bedenklich ist, dass die Feuer nicht vor den Naturschutzgebieten halt machen. So nahmen die Brände in diesen gesetzlich geschützten Zonen zwischen Januar und August um 43 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode zu. Allein im Juli und August registrierten die Satelliten 6500 Brände in Naturreservaten, wo Feuer keinesfalls auftreten dürften, so der Wissenschaftler. So seien bereits 15 Prozent des Nationalparks Chapada dos Guimarães im Bundesstaat Mato Grosso in Rauch aufgegangen. Die Brandperiode hat erst begonnen Auch wenn diese Ereignisse schon Schlimmes erahnen lassen, können noch keine Aussagen über die Waldbrand- und Abholzungsbilanz für das Gesamtjahr getroffen werden. Die meisten Brände treten nämlich laut Alberto Setzer zwischen August und November auf.

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