Im Südosten Brasiliens wird das Trinkwasser knapp

Teile Brasiliens leiden unter einer Jahrhundertdürre. Auch Südamerikas größte Metropole São Paulo könnte bald auf dem Trockenen sitzen. Die Stauseen sind fast leer – Grund dafür ist laut Experten auch die Abholzung des Regenwaldes. Wenn José Bernardo am Wasserhahn dreht, kommt kein Tropfen mehr heraus. Schon seit Mitte Dezember ist das Wasser seiner Heimatstadt Itú rationiert. Zuvor, im Oktober und November, hatte der Rentner 48 Tage kein Wasser. “Wir sind so verzweifelt”, sagt der 72-Jährige. “Wie soll man denn ohne Wasser überleben?” Das Schicksal von Itú, rund 100 Kilometer von São Paulo entfernt, wird bald auch die größte Stadt Südamerikas treffen: Die Stauseen, die Brasiliens Industriemetropole versorgen, sind fast ausgetrocknet. Die größte Dürre seit 80 Jahren macht den Brasilianern zu schaffen. Doch Fehlplanungen, mangelnde Investitionen und Umweltzerstörung haben die Krise verschärft. Lange hat die Politik die Lage beschönigt. Jetzt musste São Paulos Gouverneur Geraldo Alckmin eingestehen, dass für alle Stadtteile das Wasser rationiert wird. In einigen Vierteln, vor allem am Rand der 21-Millionen-Einwohner-Metropole, bleibt der Wasserhahn ganz trocken, in anderen Stadtteilen nur stundenweise. Mängel bei der Logistik des Wassers In Itú haben die Einwohner schon in den vergangenen Monaten leidvolle Erfahrungen gemacht. Die Stadtverwaltung versprach zwar, sie mit Wasser aus einem Tankwagen zu versorgen. Doch der kam nur einmal pro Monat vorbei. Die Menschen seien dann aufeinander losgegangen, hätten mit Steinen geworfen, sagt José Bernardo. Inzwischen hat er sein Auto gegen einen alten Kombi getauscht, um selbst Wasser aus der Nachbarstadt heranschaffen zu können. “Das waren all unsere Ersparnisse”, sagt er verbittert. Experten warnen seit langem vor einer Wasserkrise und zeigen Mängel in der Logistik auf. Fast die gesamte Metropolregion ist von dem riesigen Trinkwasserreservoir Cantareira abhängig, einem der größten weltweit. Sechs Stauseen sind über 48 Kilometer Tunnel und Pumpen miteinander verbunden. Rund 100 Kilometer muss das Wasser dann bis nach São Paulo zurücklegen. Nach Berechnungen von Wissenschaftlern gibt es rund 30 Prozent Verlust beim Transport. Inzwischen ist in Cantareira der letzte Vorrat, die sogenannte “tote Reserve”, angebrochen: Das Wasser liegt unter dem Abflussniveau und muss hochgepumpt werden. Bald wird aber auch dieser Speicher aufgebraucht sein. Abholzung des Regenwaldes zerstört den Kreislauf Auch Umweltexperten mahnen schon lange. Der Biologe Philip Fearnside vom Nationalen Amazonas-Forschungsinstitut Inpa verweist auf Auswirkungen der Abholzung des Amazonas. “Wir können die Dürre nicht allein aus diesem Umstand erklären, aber es gibt einen eindeutigen Zusammenhang”, sagt er. Denn die feuchten Luftmassen, die für die Regenfälle im Süden des Landes verantwortlich sind, kommen aus dem Amazonas. Die massenhafte Abholzung des Regenwaldes habe den Kreislauf gestört, erklärt Fearnside. Die Wurzeln der Bäume könnten nicht mehr genug Wasser ziehen, um es später wieder freizugeben – für Wolken, die den nötigen Regen in den Süden bringen. Ist der Kreislauf intakt, kann ein Baum täglich Hunderte Liter Wasser freisetzen, die verdunsten und eine riesige feuchte Decke bilden. Diesen Wolkenströmen hat der Klimawissenschaftler Antonio Nobre den Namen “fliegende Flüsse” gegeben. Sie ziehen vom Amazonas westwärts bis zu den Anden, dann nach Süden in Richtung Buenos Aires und schwenken ostwärts nach São Paulo. Dort regnen die Wolkenmassen ab – normalerweise. Doch schon im vergangenen Jahr blieb der gewöhnlich starke Regen aus. Brasilien hat zwar in diesem Jahr wieder offiziell einen Rückgang der Abholzung des Amazonas-Regenwaldes gemeldet – inoffizielle Satellitenauswertungen ergeben jedoch ein anderes Bild. Aber immer noch werden durchschnittlich pro Minute knapp drei Fußballfelder Regenwald vernichtet. Selbst der WWF warnt, dass es nicht ausreicht, die Abholzung zu verringern. Die Frist sei schon lange abgelaufen. Wenn wir überhaupt noch eine Chance haben, dann nur, wenn alle Flächen wiederaufgeforstet werden. Quelle: epd

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