Zwei direkt aufeinanderfolgende Extremdürren sind ein Novum in der überlieferten Geschichte Amazoniens. Nach der Extremdürre vom letzten Jahr ging es nach einer kurzen „Erholung“ während einer sehr moderaten Regenzeit mit einer Verschärfung der Dürre-Situation weiter.
Die Vorgeschichte finden Sie hier.
Nachdem der einsetzende Regen im November letzten Jahres nur wenig Entlastung brachte und die Pegel der Flüsse nur auf ein weit unter dem langjährigen Durchschnitt liegendes Niveau anstiegen, war der Boden für eine erneute Extrem-Dürre in diesem Jahr bereitet.
Von den großen Flüssen in Amazonien waren in diesem Jahr vor allem der Rio Madeira, der Rio Tapajos sowie der Rio Xingu mit ihren jeweiligen Einzugsgebieten betroffen. So hatte der Pegelstand des Rio Madeira zum 1. September 2024 einen historischen Tiefststand von lediglich 96cm in Porto Velho erreicht, der sich dann in den nächsten zwei Wochen auf einen Stand von 76cm weiter verringerte. Bis Anfang Oktober fiel der Pegelstand dann auf schier unvorstellbare 25cm! Normalerweise beträgt der Pegelstand zu dieser Jahreszeit über 5m. Die Folgen dieses niedrigen Pegelstandes waren erschreckend. Der Rio Madeira, Lebensader für alle Städte und Dörfer entlang seines Laufes war über weite Strecken nicht mehr schiffbar. Die Folge waren gravierende Probleme in der Versorgung der Bevölkerung mit den Dingen des tägliche Bedarfs, betroffen war aber auch der gesamte Waren– und Güterverkehr auf dem vergleichsweise viel befahrenen Rio Madeira. So war es beispielweise für eine lange Zeit nicht möglich, die in Porto Velho vorgefertigten Teile unseres neuen Lagerhauses im Reservat in Santa Maria anzuliefern. Wir müssen auf einen hoffentlich bald wieder ansteigenden Flusspegel warten.
Ebenso beeinträchtigt war die Trinkwasserversorgung der Menschen. Viele Brunnen fielen trocken oder die Wasservorräte waren mit Schadstoffen kontaminiert und somit nicht mehr nutzbar.
Eine außerordentliche Belastung stellte die Dürre für die Fischfauna in den fast völlig trocken gefallenen Gewässern dar. Unmengen an Fischen verendeten qualvoll an Sauerstoffmangel in den stark erhitzten Restgewässern, an Futtermangel und/oder Stress.
Und das Schwesterchen der Dürre ist das Feuer. Gab es schon im Herbst letzten Jahres Rekordzahlen bei den Waldbränden zu vermelden, so hat sich die Situation in diesem Jahr nochmals deutlich verschlimmert. Vom Beginn des Jahres 2024 bis Ende September zählte die brasilianische Satellitenüberwachung nicht weniger als 21.612 Brandherde allein im Bundesstaat Amazonas. Das ist die höchste Zahl seit Beginn der Aufzeichnung von Bränden durch die brasilianische Satellitenüberwachung im Jahre 1998. Im letzten, schon katastrophalen Brandjahr 2023 wurden im gesamten Jahr knapp 20.000 Brände gezählt.
Bodenspekulanten und vor allem Großgrundbesitzer nutzen die Gelegenheit eines trockenen Waldes, um ihn anzuzünden und Land für neue Sojaplantagen oder Viehweiden zu gewinnen.
Die gewaltigen Brände verursachen starke Beeinträchtigungen durch die immense Rauchentwicklung, die vor allem bei Kindern und älteren Menschen zu respiratorischen Problemen führte. Ganz Amazonien war von einer dicken Rauchschicht bedeckt, welche die Sonne auf das Niveau einer schwachen Glühbirne dimmte und so eine apokalyptisch anmutende Stimmung erzeugte.
Weiterhin unbeantwortet bleibt die Frage nach der Resistenz der Wälder hinsichtlich der sich in immer kürzeren Zeiträumen wiederholenden Extremereignisse wie Dürren und Überschwemmungen. Es bleibt zu hoffen, dass die Wälder hier über eine große Toleranz verfügen. Das ist dringend nötig, denn die Forschung spricht von einem Kipppunkt bei 40 Prozent zerstörtem Regenwald, d.h. wenn mehr als 40 Prozent zerstört sind, kann sich der Wald nicht mehr selbst erhalten und es kommt zu einer Versteppung mit den schlimmsten Folgen für die gesamte Erde. Aktuell stehen wir bei einem Zerstörungsgrad von 25 Prozent der gesamten ursprünglichen Regenwaldfläche in Amazoniens. Die Menschheit hat es also geschafft in etwas mehr als 50 Jahren ein Viertel der Regenwälder zu zerstören. Wir sollten dringend damit aufhören. R.P.