Dilma Rousseff ist doch nicht über ihren Schatten gesprungen. Nach einer wochenlangen Kampagne von Umweltgruppen und Prominenten schien ein vollständiges Veto der brasilianischen Präsidentin gegen die Ende April vom Abgeordnetenhaus in Brasília beschlossene dramatische Aufweichung des Waldgesetzes, durchaus möglich. Doch anstatt sich vor dem UN-Umweltgipfel Rio+20 zum Umweltschutz in Form eines zeitgemäßen Waldgesetzes zu bekennen, entschied sie sich für einen Kompromiss, der vor allem die Agrarier in ihrer Regierungskoalition zufriedenstellt. Durch die Novelle wäre die Abholzung von über 750 000 Quadratkilometern Wald, eine Fläche von der doppelten Größe Deutschlands, legalisiert worden. Illegale Rodungen bis 2008 sollten nicht geahndet, Schutzzonen an Abhängen, Hügelkuppen und Flussläufen abgebaut werden. Die mächtige Agrarlobby dominiert das Parlament und ist auch in Rousseffs Mitte-links-Regierung vertreten. Nach ihrem Teilveto gebe es keine Amnestie für Waldzerstörer, versicherte Umweltministerin Izabella Teixeira. Das derzeitige Waldgesetz sieht vor, dass auf Privatgrundstücken in Brasilien ein bestimmter, je nach Ökosystem variierender Anteil als »Naturreserve« erhalten werden muss. In Amazonien, dem größten zusammenhängenden Tropenwald der Erde, sind es 80 Prozent. Den Raubbau hat das Waldgesetz dennoch oft nicht verhindern können, allzu oft bleiben Prozesse gegen Waldzerstörer im Justizsystem stecken. »Alle werden wiederherstellen müssen, was zerstört wurde«, versprach Teixeira. Dies steht in Widerspruch zur Ankündigung, man sei vor allem den Kleinbauern entgegengekommen. Die nämlich, so viel nahmen die Minister vorweg, brauchen künftig nur noch jeweils fünf bis 15 Meter der zerstörten Flussufer wieder aufzuforsten. Die bisherige Vorschrift von 30 Metern bei bis zu zehn Meter breiten Flüssen gilt nur noch für Großfarmer. »Zehn Jahre Raubbau werden amnestiert«, kritisierte der sozialistische Abgeordnete Ivan Valente. »Immerhin müssen alle ein wenig aufforsten«, tröstet sich der Biologe Ricardo Rodrigues, »vor allem die großen Viehzüchter, die für vier Fünftel der Zerstörungen von Schutzgebieten verantwortlich sind.« Die Agrarier zeigten sich weitgehend zufrieden – das Gros ihrer Novelle bleibt unangetastet. Kátia Abreu, Vorsitzende des Großfarmerverbandes CNA und Senatorin, lobte die patriotische Haltung Rousseffs, die angeblich alle Interessen berücksichtigt habe. Der Abgeordnete Homero Pereira freute sich, dass die Staatschefin vor einem vollständigen Veto zurückschreckte und die Verhandlungen nach Rio+20 »in aller Ruhe« weitergehen – nach der Verkündung von Übergangsbestimmungen ist wieder das Parlament am Zug. Fraglich ist, ob das Gesetz noch in diesem Jahr in Kraft tritt. Rousseff hat offenbar ihr Ziel erreicht: Das unbequeme Thema Waldgesetz ist vor dem Umweltgipfel im Juni vom Tisch, die juristische Lage bleibt jedoch unübersichtlich. Das dicke Ende komme später, fürchten Umweltschützer. »Die Präsidentin hat die Öffentlichkeit ausgedribbelt«, meint André Lima, Berater der Gruppe SOS Atlantischer Regenwald: »Jetzt weicht sie dem Druck aus, und wenn die Debatte weitergeht, ist die Luft raus«. Quelle: “Neues Deutschland”
Regenwald-Institut e.V.
Institut für angewandten Regenwaldschutz
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