Raubbau an Brasiliens Wald scheint sich zu verlangsamen

Im brasilianischen Teil des Amazonas- Beckens ist 2004/2005 knapp ein Drittel weniger Wald zerstört worden als im Vorjahr. Die brasilianische Umweltministerin Marina Silva feierte den Rückgang der Rodungen als Folge besserer staatlicher Überwachung. Rio de Janeiro · Mit 18 900 Quadratkilometern übertrifft die Waldfläche, die 2004/2005 den Motorsägen zum Opfer fiel, zwar immer noch die Fläche Sachsens, aber verglichen mit den vergangenen Jahren ist das schon ein beträchtlicher Erfolg. Denn 2003/2004 sind in Brasilien noch 27 200 Quadratkilometer Amazonas-Wald vernichtet worden. Die aktuelle Zahl ist die niedrigste seit 2000/2001, aber vor allem stellt sie zum ersten Mal seit neun Jahren eine deutliche Verringerung der jährlich zerstörten Fläche dar, die seit 1996/97 stetig gewachsen war. Brasilien überwacht die Entwaldung im Amazonas-Gebiet seit 1988 per Satellit. Seitdem ist die Waldfläche um 317 000 Quadratkilometer geschrumpft. Die brasilianische Umweltministerin Marina Silva, die die neuen Zahlen noch verkündete, bevor sie zur Klimakonferenz nach Montreal flog, bewertete die Zahl als Erfolg der Regierung. Die Geldstrafen für Waldfrevel seien erhöht und die Patrouillen verstärkt worden. Außerdem wirke sich die Ausweisung von Schutzgebieten und Indianer-Reservaten positiv aus. Entlang der Straße in Zentralbrasilien, die die Soja-Anbaugebiete im Südwesten mit dem Amazonas-Hafen Santarém verbindet, sei der Staat präsenter und unterbinde die schlimmsten Rodungsexzesse. Die Überlandverbindung wird derzeit ausgebaut, um die Transportwege für Soja zu verkürzen. Es ist deutlich billiger, das Hauptexportprodukt Brasiliens auf einer neuen Straße nach Norden zu transportieren und in Santarém nach Europa und die USA zu verschiffen. Bisher wird Soja rund 2000 Kilometer nach Süden gefahren und dort verschifft. Verbesserte Straßenverbindungen erhöhen erfahrungsgemäß den Druck auf den Wald, weil sie Siedler, Farmer und Holzfirmen anziehen. Umweltschutzorganisationen lobten zwar, dass der Staat mehr Präsenz zeige als vorher. Aber sie wiesen auch darauf hin, dass brasilianisches Soja nicht mehr so konkurrenzfähig sei wie noch vor kurzem. Somit würde sich die zurzeit starke nationale Währung waldschützend auswirken. Während in manchen Gegenden die Rodungen deutlich zurückgegangen sind, kommen die Motorsägen in anderen Gebieten noch stärker als früher zum Einsatz. In Mato Grosso beispielsweise wurde im vergangenen Juni ein Korruptionssystem gesprengt, in das auch Beamte der Naturschutzbehörde verwickelt gewesen waren – prompt nahm noch im Juni die Abholzung in der Gegend um 92 Prozent ab. Dagegen verzeichnet São Félix de Xingu, wie schon im Vorjahr, die radikalste Entwaldung im Amazonas-Becken. Die Gegend ist ein prosperierendes Zentrum der Viehzucht und Fleischerzeugung – klassische Gründe für die Umwandlung von Urwald in Weidefläche. Wolfgang Kunath, Frankfurter Rundschau, 6.12.05

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